Das Jahr 2023 wird aus meiner Sicht ein entscheidendes Jahr für den Ausbau der erneuerbaren Energien bzw. für die Energiewende überhaupt.

Viele Regierungen, egal welcher Couleur, haben erkannt, dass die Abkehr von der fossilen Industrie ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ist. Umso heftiger werden die Rückzugsgefechte der fossilen Industrie - und das ist wörtlich zu nehmen. Die globale Präsenz einer Volkswirtschaft wird in Zukunft von ihrem Anteil an EE bestimmt.

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Atomabfall in Daiichi

Dass sich diese Entwicklung immer schneller vollzieht, liegt natürlich an dem enormen Preisvorteil, den die erneuerbaren Energien bieten. EE sind derzeit die mit Abstand günstigste Energie.

Lange Zeit ging man davon aus, dass dieser Preisvorteil auf Dauer auch mit der Kernenergie erreicht werden könnte. Besonders verlockend war die Vorstellung, auf diese Weise weitgehend CO2-frei Energie zu erzeugen. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt und trotz einiger Neubauten ist weltweit ein Rückgang zu verzeichnen. Deutschland gehört seit Mai 2023 zu den atomfreien Ländern.

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Behälter mit kontaminiertem Wasser in Daiichi

Den Grundstein für den Ausstieg legte Angela Merkel (CDU) angesichts der Katastrophe von Fukushima. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass diese CDU-Initiative nun von der Ampel umgesetzt wird.

Je nachdem, wie sich die einzelnen Länder zur friedlichen Nutzung der Kernenergie positionieren, müssen sie die Entsorgungs- und damit die Rückbauprobleme lösen. China, USA, Russland, Australien haben große unbewohnte Flächen, die dafür geeignet sein können - oder auch nicht.

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Antiatom-Proteste mit Hans-Josef Fell (Buendnis90/ Gruene) in Hiroshima 2008

Japan hingegen hat diese Flächen bzw. Möglichkeiten nicht, ist aber einer der größten Atombefürworter überhaupt und plant auch in Zukunft einen massiven Zubau an Reaktoren. Mit der Katastrophe von Fukushima hat sich das Abfallproblem in Japan potenziert. Die japanische „Lösung“ ist, den Müll einfach ins Meer zu kippen - über 10 Jahre lang!

Die Fischer aus den betroffenen Regionen Japans können ihre Ware kaum noch auf dem japanischen Markt absetzen - auch wenn die Meeresfrüchte möglicherweise nicht einmal messbar belastet sind. Den japanischen(!) Kunden reicht die Herkunft, um diese Produkte NICHT zu kaufen. Dieses "Not-In-My-Court"-Verhalten ist nicht typisch japanisch. 

Die 16 unabhängigen Inselstaaten Ozeaniens, die im Pacific Island Forum (PIF) vertreten sind, haben Japan und die G7 darauf hingewiesen, dass die Fischerei eine wesentliche Säule ihrer Volkswirtschaften ist. 
Japan ignoriert diese Einwände in alter Kolonialmanier. Die PIF vergleicht diesen Eingriff mit den Atombombentests der USA, Großbritanniens und Frankreichs auf ihren Inseln[1] Es ist wahrscheinlich, dass neben dem Anstieg des Meeresspiegels nun auch noch die wirtschaftliche Basis wegbricht.

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Die G7 haben es in Sapporo versäumt, dieses Problem klar anzusprechen. Yasutoshi Nishimura (Energieminister) interpretiert das 36-seitige Dokument so, dass die G7 es »begrüßt«, dass Japan radioaktives Wasser ins Meer leitet. Tatsächlich heißt es dort sehr fischig, dass »unabhängige Untersuchungen der IAEO« Klarheit bringen sollen.

Während sich Annalena Baerbock in China in kolonialer Schulmeisterei übte, widersprach die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke in Sapporo der kolonialen Attitüde der G7 mit deutlichen Worten: Es sei doch »selbstverständlich, dass Umweltminister die Einleitung von kontaminiertem Wasser an irgendeinem Ort der Welt in keiner Weise begrüßen können«, sagte sie. [2]

Vom 19. bis 21. Mai findet in Hiroshima der G7-Gipfel statt, an dem auch deutsche Politiker teilnehmen werden. [3] Ob sie sich dann an diesem historischen Ort ebenso deutlich gegen die Atommüllverklappung aussprechen werden, darf bezweifelt werden. Die USA sind wegen Okinawa, Nordkorea und der Taiwanstraße auf die bedingungslose Solidarität Japans angewiesen - die so bedingungslos nicht ausfallen wird. Auch von den aktiven Atombefürwortern Frankreich und Großbritannien wird Japan nichts erwarten können. 

Gleichzeitig hat Japan angekündigt, im Frühjahr 2023 mit dem Rückbau zu beginnen. Zynischer kann man mit den Anwohnern der PIF, aber auch Südkorea oder China nicht umgehen, wenn ausgerechnet während des Gipfels in Hiroshima(!) damit begonnen wird.

Autor: Sven Tetzlaff

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Antiatom-Proteste mit Hans-Josef Fell (Bündnis90/ Grüne) in Hiroshima 2008


[1] https://www.jungewelt.de/artikel/450280.fukushima-bis-zum-n%C3%A4chsten-gau.html

[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/steffi-lemke-wie-die-umweltministerin-japans-atomkraft-kurs-kritisiert-a-0de3d595-2141-4bb5-96bd-7cc6c69d3915

[3] https://www.g7hiroshima.go.jp/en/